Heute, am 21. April 2006, ist die Mutter des am 14. Jänner 2006 in den Irak entführten Kindes Harin E. (Wadi berichtete über den Fall vor einer Woche) mit ihrem Sohn wohlauf in Wien Schwechat gelandet. Mutter und Kind geht es trotz einer schwierigen Übergabe an der türkisch-irakischen Grenze gut.
Die österreichisch-deutsche Hilfsorganisation Wadi, die seit 1993 im Irak arbeitet, wird Mutter und Kind nach Möglichkeit weiter unterstützen.
Die 29-jährige Mutter, österreichische Staatsbürgerin nordirakischer Herkunft, konnte ihren vierjährigen Sohn bereits am Abend des 20. April an der Grenze bei Silopi/Habur entgegennehmen. Salam P., ihr Ex-Mann, hatte am 14. Jänner in Wien das Kind – für das die Mutter das alleinige Sorgerecht besitzt – mit in den Nordirak genommen. Das Kind wurde auf der irakischen Seite der Grenze an MitarbeiterInnen der deutsch-österreichischen Hilfsorganisation WADI und den Verbindungsbeamten der österreichischen Botschaft in Ankara übergeben. Die Übergabe an Mary Kreutzer und Thomas Schmidinger von WADI sowie an Wolfgang Poick, verlief laut Poick von der Österreichischen Botschaft in Ankara zwar schwierig, konnte aber einem guten Ende zugeführt werden. Über vier Stunden verhandelten Poick, Kreutzer und Schmidinger erneut mit türkischen und irakisch-kurdischen Grenzbehörden, sowie mit der Familie des Vaters, ehe das Kind seiner Mutter übergeben werden konnte. Obwohl Wadi über Daban Shadala, den österreichischen Vertreter der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), bereits seit Tagen über die Kindesübergabe verhandelt hatte, kritisierte Poick die „chaotischen Verhältnisse auf Seite der kurdischen Behörden“.
Schmidinger, der vor Ort für Wadi die Verhandlungen mit der Familie des Kindesvaters und der irakisch-kurdischen Sicherheitskräfte führte, bestätigte die schwierige Situation bei der Übergabe: „Für das Kind wirkten die Verzögerungen sicher zusätzlich traumatisierend. Trotzdem sind wir froh, dass die Übergabe schliesslich doch über die Bühne gehen konnte. Ohne das Zusammenwirken von Wadi, den kurdischen und österreichischen Behörden wäre dies nicht möglich gewesen.“
Auch Mary Kreutzer, die die Übergabe bereits von Wien aus vorbereitet hatte und dabei auch auf die Unterstützung des österreichischen Aussenministeriums verweist, stellt fest: „Ohne die Vermittlung von Daban Shadala in Wien hätte auch Wadi nicht die Möglichkeit gehabt den Vater zur Übergabe des Kindes zu drängen. Genauso wichtig war aber auch die Unterstützung der österreichischen Behörden.“ Das österreichische Aussenministerium hatte die kurdischen Behörden offiziell zur Übergabe das Kindes an Kreutzer, Schmidinger und Poick aufgefordert, sowie österreichische Sicherheitsbeamte der Spezialeinheit Cobra gemeinsam mit Poick an die Grenze geschickt.
Kreutzer betont jedoch, dass dies kein Einzelfall ist: „Mittlerweile wurden andere ähnliche Fälle aus anderen europäischen Staaten an uns herangetragen. Als kleine in Wien ansässige NGO können wir diese nicht alle lösen. Wenn die kurdischen Behörden in Zukunft jedoch entschiedener gegen Kindesentziehungen vorgehen würden, wären solche Probleme im Sinne des Kindes vielleicht leichter zu lösen.“
Wadi will in Zukunft in Europa verstärkt präventiv tätig werden. „Wenn bereits in Europa die Rechte von Frauen migrantischer Herkunft gestärkt würden, können solche Situationen vielleicht überhaupt verhindert werden.
Politik und Gesellschaft dürfen hier auch in Österreich nicht wegsehen, wenn gewaltbereite Ex-Ehemänner ihren patriarchalen Anspruch auf ihre Kinder durchsetzen wollen.“ so Kreutzer, die sich nach der Rückkehr der Mutter nach Österreich zurzeit um Wadi-Frauenprojekte im Nord-Irak kümmert.
Schmidinger betont die Priorität der Prävention: „Genauso wichtig ist jedoch auch der Zugang zu psychotherapeutischer Beratung für traumatisierte männliche Flüchtlinge, die ja dann erst aufgrund ihrer Traumatisierung zu Gewalttätern werden. Auch im Irak ist es nicht normal seine Frau zu misshandeln. Die Traumatisierung des Kindesvaters, der als Widerstandskämpfer gegen Saddam Hussein mehrere schwere Verletzungen erlitten hat und als Schwerinvalide gilt, war sicher einer der Gründe für sein späteres Verhalten.“