Sehr geehrte Damen und Herren,
im heurigen Frühjahr reiste zum zweiten Mal eine kleine Delegation unserer NGO, die im Nordirak und in der Türkei Frauen- und Sozialprojekte unterstützt, nach Hasankeyf um dort Gespräche mit der Bevölkerung zu führen und die Lage vor dem geplanten Bau des Ilisu-Damms zu erkunden. Dabei kamen wir – wie bereits bei unserem letzten Besuch – zum Schluss, dass der Bau des Ilisu-Damms, der große Teile der Altstadt von Hasankeyf mit ihren historischen ayyubidischen und artukidischen Moscheen und einer Brücke aus dem 12. Jahrhundert unter Wasser setzen würde, von der betroffenen Bevölkerung fast einhellig abgelehnt wird.
Zudem ist den meisten BewohnerInnen bis heute nicht klar was mit ihnen geschehen wird. Nur vage Informationen über die Errichtung einer neuen Stadt an den Ufern des Sees sind vorhanden.
Tatsächlich sind die Umsiedlungspläne im Zusammenhang mit dem Ilisu-Damm immer noch völlig unzureichend. Die Finanzierung der Umsiedlung ist noch keinesfalls geklärt. Viele der BewohnerInnen des Tigris-Tals haben aufgrund mangelnder Besitztitel überhaupt keine Entschädigung zu erwarten. Profitieren werden durch den Damm lediglich die Agas, kurdische Großgrundbesitzer, die durch die Abtretung „ihres“ Landes reichlich entschädigt werden. Die dort lebenden Menschen, die das Land der Agas bewirtschaften, werden leer ausgehen.
Der Ilisu-Damm als eines der Schlüsselprojekte des GAP, des Südostanatolien-Projekts, *das im Endzustand 22 Staudämme aufweisen soll und mit 19 Energiegewinnungsanlagen bis zu 8.000 kWh vor allem in den westtürkischen Energiesektor liefern soll, soll noch rasch vor einem EU-Beitritt der Türkei und vor der davon unmittelbar betroffenen südliche Nachbar Irak wieder außenpolitisch handlungsfähig ist, fertig gestellt werden. Wichtiger als die Energiegewinnung dürften für das innenpolitisch immer noch mächtige türkische Militär, jedoch die geostrategische Überlegungen sein. Längst deutet sich an, dass in Zukunft nicht mehr das Öl, sondern das Wasser zum umstrittensten Rohstoff des Nahen Ostens werden wird. Wer dabei an den Quellen der großen Flüsse Mesopotamiens sitzt und deren Wasserzufuhr mit einem ausgeklügelten System von Dämmen regeln kann, wird in Zukunft eine weit bedeutendere Waffe besitzen als konventionelle Streitkräfte.
Insbesondere Syrien und der Irak werden im Endausbau des GAP völlig vom Wohlwollen türkischer Militärs abhängig sein und haben deshalb mehrmals gegen die Staudammprojekte protestiert. Bei uns regt sich der Verdacht, dass der Ilisu-Damm, von dem v.a. der Irak betroffen sein wird, nun noch schnell gebaut werden soll vor die irakische Regierung wieder die Lage im Land so weit unter Kontrolle hat, dass sie auch außenpolitisch gegenüber der Türkei fähig ist Druck gegen solche Projekte auszuüben und bevor die Türkei durch die Verhandlungen für einen EU-Beitritt gewisse Mindeststandards in Bezug auf Menschenrechte und ökologische Fragen einhalten muss.
Wie Sie sicher wissen, ist das Gebiet, in dem das Projekt geplant ist, seit einigen Monaten wieder Kriegsgebiet. Wir konnten uns selbst davon überzeugen, dass die gesamte Umgebung von Hasankeyf mit Checkpoints der Jandarma, des türkischen Inlandsmilitärs, übersäht ist. Sie wissen sicher auch, dass die PKK und andere Gruppen der kurdischen Nationalbewegung sich massiv gegen den Ilisu-Damm ausgesprochen habe, was den Bau zu einem möglichen Angriffsziel kurdischer Rebellen machen könnte. Diese Gefahr wiederum wird die Militarisierung der Region von Seiten des türkischen Militärs weiter vorantreiben. Das von der VATech Hydro geführte Konsortium zum Bau des Ilisu-Damms wird damit zum Beteiligten in einem bewaffneten Konflikt, was indirekt auch als Beteiligung Österreichs gewertet werden könnte. Dies insbesondere dann, wenn die Österreichische Kontrollbank für den Projektbetreiber Exportkredite aus Mitteln der öffentlichen Hand zur Verfügung stellen würde.
Wir fordern deshalb sowohl die Projektbetreiber der VA Tech Hydro dazu auf, sich aus dem Projekt zurückzuziehen als auch die Kontrollbank keine Exportkredite zu genehmigen.
Mit freundlichen Grüßen,
Der Vorstand von WADI Österreich
Verband für Krisenhilfe und Entwicklungszusammenarbeit