„Wir alle sind Hrant Dink“

Was Hrant Dink, dem Chefredakteur der türkisch-armenischen Zeitung „Agos“ Zeit seines Lebens versagt blieb, wird ihm nun in seinem Tode zu Teil: die Solidarität der aufgeklärten weltoffenen türkischen Öffentlichkeit. Nach der Ermordung des Intellektuellen am gestrigen Freitag, sind am Abend mehrere tausend Menschen hatten unter dem Slogan „Wir alle sind Hrant Dink“ auf die Straße gegangen. Auch am heutigen Samstag fanden sich zahlreiche Menschen vor dem mit Blumen und Porträts des Ermordeten geschmückten Eingang der Zeitungsredaktion ein. Die türkische Regierung und Istanbuls Provinzgouverneur Muammer Güler zeigten sich nicht nur über den Mord bestürzt, sondern auch zuversichtlich den Mord bald aufklären zu können. Erste Festnahmen von Verdächtigen folgten. Dink, der aufgrund seiner Haltung gegenüber dem Genozid an den Armeniern 1915 mehrere Prozesse wegen „Herabsetzung des Türkentums“ über sich ergehen lassen musste, scheint so in seinem Tod noch mehr Aufmerksamkeit für die antiarmenische Pogromstimmung unter türkischen Nationalisten bewirkt zu haben, als in seinem Leben. Es wäre wohl die schönste Beendigung seines Lebenswerkes, wenn die Proteste gegen den Mord auch in eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Genozid münden würden.
Webtip: Agos (http://www.agos.com.tr/)