„Es gab keinen Cobra-Einsatz im Irak!“

NGO, die Beendigung einer Kindesentziehung eines vierjährigen Buben vermittelte, widerspricht Darstellung der Kronen-Zeitung

„Die Kronenzeitung hat entweder aus Dummheit oder aus politischen Gründen ihre Leserinnen und Leser in die Irre geführt“, zeigt sich Mary Kreutzer von der seit Jahren im Nordirak tätigen NGO Wadi entsetzt: „Es stimmt zwar, dass das österreichische Außenministerium entschieden hat, uns mit Wolfgang Poick nicht nur einen Diplomaten der Österreichischen Botschaft in Ankara mit an die Türkisch-Irakische Grenze zu schicken, sondern auch drei Beamte der Spezialeinheit Cobra, allerdings sind die österreichischen Polizisten mit Einverständnis der türkischen Behörden nur bis zum türkischen Grenzübergang gereist und haben nie irakisches Staatsgebiet betreten. Die irakische Seite der Grenze wurde nur von zwei Wadi-MitarbeiterInnen und von Wolfgang Poick betreten um dort den Jungen im Empfang zu nehmen.“

Es gab also keinen Cobra-Einsatz im Irak, wie die Kronen-Zeitung am gestrigen Sonntag, den 30. April eine zweiseitige Reportage übertitelte.
Kreutzer, die die vorbereitenden Gespräche für die Übergabe des Jungen mit dem Vertretern der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) – einer der beiden Regierungsparteien Irakisch-Kurdistans – geführt hatte, ist davon überzeugt, dass die Rückkehr des Vierjährigen zu seiner Mutter nur durch die Kooperation der NGO mit den österreichischen, türkischen und kurdischen Behörden möglich war. „Der Bub wurde uns auf Anordnung des kurdischen Innenministeriums auf der irakischen Seite der Grenze übergeben und anschließend auf die türkische Seite der Grenze gebracht, auf der die Mutter mit anderen Wadi-Mitarbeiterinnen und den drei Cobra-Beamten gewartet hatte.“

Thomas Schmidinger, der die langwierigen Verhandlungen mit den Irakisch-Kurdischen Grenz- und Polizeibehörden sowie der Familie des Vaters vor Ort geführt hatte, erklärt: „Wir hatten sicher nicht erwartet auf der irakischen Seite noch so langwierige Verhandlungen führen zu müssen, letztlich konnten die Probleme aber auf dem Verhandlungsweg ausgeräumt werden. Das Kind wurde von den Kurdischen Behörden an mich und Mary Kreutzer von Wadi und Wolfgang Poick von der Botschaft übergeben.“ Schmidinger sieht in dieser Vorgangsweise auch einen Schritt in Richtung eines Aufbaus rechtsstaatlicher Strukturen: „Man kann sich leicht vorstellen, dass die Verhältnisse im Irak auch im vergleichsweise sicheren Kurdistan immer noch sehr kompliziert sind. Immerhin wurde die Gefahr einer Rückkehr des Baath-Regimes erst seit 2003 gebannt. Der Aufbau eines funktionierenden Rechtsstaates geht nicht von heute auf morgen.“ Die österreichisch-deutsche Hilfsorganisation WADI, die seit 1993 Sozial- und Frauenprojekte in Irakisch-Kurdistan betreibt, hofft jedoch, dass mit dem Aufbau einer funktionierenden Staatlichkeit ähnliche Fälle in Zukunft auch rascher und auf einem stärker institutionalisierten Weg lösbar sind. Kreutzer: „Eigentlich ist es ja nicht die Aufgabe einer NGO österreichische Staatsbürger aus dem Irak zu holen. Als kleine Hilfsorganisation können wir uns das allein schon finanziell nicht oft leisten. Solange der irakische Staat aber nur rudimentär funktioniert und es keine arbeitsfähige österreichische diplomatische Vertretung im Irak gibt, werden wir jedoch im Rahmen unserer Möglichkeiten unser Bestes tun, auch in Zukunft in ähnlichen Fällen behilflich zu sein.“

Schmidinger, der erst am Tag der Veröffentlichung des Artikels in der Kronen-Zeitung aus dem Irak zurückkehrte, kritisierte zusätzlich die Veröffentlichung eines Fotos des Vaters: „Der Vater hat sicher genauso wenig von der Veröffentlichung seines Fotos in der Kronen-Zeitung gewusst, wie ich über die Publikation eines Fotos von mir. Ich halte es für falsch den Vater nun öffentlich zur Schau zu stellen. Er hat einen Fehler begangen, hat das Kind aber letztlich der sorgeberechtigten Mutter zurückgegeben. Der Vater hat selbst psychische Probleme, die von seinen Verletzungen im Kampf gegen das Baath-Regime herrühren. Diese werden durch eine Diabolisierung sicher nicht besser und für das Kind ist eine solche Art von Berichterstattung ebenfalls alles andere als ideal.“

WADI-MitarbeiterInnen kritisieren schließlich die rassistische Konnotation des besagten Artikels, der suggeriert, dass ein „wilder Kurde“ das Kind einer „jungen Österreicherin“ entführt hätte, und ein Cobra-Team daraufhin wacker in den Irak eingefallen sei, um dort eine Befreiungsaktion durchzuführen.

Wadi will in Zukunft in Europa verstärkt präventiv tätig werden

„Wenn bereits in Europa die Rechte von Frauen migrantischer Herkunft gestärkt würden, können solche Situationen vielleicht überhaupt verhindert werden. Politik und Gesellschaft dürfen hier auch in Österreich nicht wegsehen, wenn gewaltbereite Ex-Ehemänner ihren patriarchalen Anspruch auf ihre Kinder durchsetzen wollen.“ so Kreutzer.
Schmidinger betont die Priorität der Prävention: „Genauso wichtig ist jedoch auch der Zugang zu psychotherapeutischer Beratung für traumatisierte männliche Flüchtlinge, die ja dann erst aufgrund ihrer Traumatisierung zu Gewalttätern werden. Auch im Irak ist es nicht normal seine Frau zu misshandeln. Die Traumatisierung des Kindesvaters, der als Widerstandskämpfer gegen Saddam Hussein mehrere schwere Verletzungen erlitten hat und als Schwerinvalide gilt, war sicher einer der Gründe für sein späteres Verhalten.“