Mary Kreutzer: Irak – Von der Republik der Angst zur bürgerlichen Demokratie?

cover_irakMary Kreutzer, Thomas Schmidinger (Hg.), ça ira Verlag 2004, EUR 19,00

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Im ihrem Sammelband befassen sich überwiegend irakische AutorInnen mit der Geschichte des Irak bis zum Sturz Saddam Husseins und den aktuellen Entwicklungen seit April 2003.

Die AutorInnen, die ein breites politisches Spektrum von gemäßigten schiitischen Islamisten über Vertreter kurdischer Parteien und den irakischen Grünen bis hin zu Kommunisten und einer Arbeiterkommunistin repräsentieren, befassen sich dabei im Gegensatz zu den meisten bisher zum Irak erschienenen Büchern bewußt aus einer irakischen Perspektive mit der politischen Entwicklung des Irak und ermöglichen damit völlig andere Einblicke in die Geschichte des irakischen Ba´thismus und die Perspektiven nach dem Sturz Saddam Husseins, als dies in der europäischen Presse üblich ist.

Rezensionen

„Seit dem Beginn des Irak-Kriegs geistern zahllose „Irak-Experte“ durch die Medien – nur Iraker selbst kommen kaum je zu Wort. Dieses Manko will der von den österreichischen Politikwissenschaftern Mary Kreutzer und Thomas Schmidinger herausgegebene Band „Irak“ nun beheben. Eine breite Palette irakischer Intellektueller – ob Kommunisten, Kurden oder Schiiten – hat darin über die Geschichte und die Zukunft des Irak geschrieben.“
Profil

„Die Wahlen im Irak haben zumindest eins gezeigt: Es gibt eine relevante Mehrheit der dortigen Bevölkerungen, die sich trotz Drohungen aus dem baathistisch-islamistischen Untergrunds an den Wahlen beteiligten. Wer erfahren will, welche politischen Vorstellungen und Hoffnungen diese Menschen haben, kann das aus einem kürzlich erschienenen Sammelband erfahren, unter dessen 25 Autorinnen und Autoren viele irakische Exilpolitiker sind.“
Frankfurter Rundschau

qendil-text

„Schon aus diesem Grund ist das von Mary Kreutzer und Thomas Schmidinger herausgegebene Buch über den Irak, dessen Autoren mehrheitlich irakische Intellektuelle, Politiker, Politologen, Journalisten aus allen Regionen des Landes, den verschiedensten ‚ethnischen‘ und religiösen Gruppen mit unterschiedlichsten politischen Hintergründen sind, eine Hilfe für jeden, der mehr über den Irak wissen will als die Medien täglich bringen. Auch zum Krieg gegen das Saddam Regime gibt es im Buch unterschiedliche Standpunkte. Die Herausgeber selbst haben den Irak bereist und beschäftigen sich als Mitarbeiter der Hilfsorganisation WADI schon länger mit dem Irak.“
HaGalil

„Ein Spektrum an Analysen und Initiativen auch deutschsprachigen InteressentInnen näherzubringen, ist das vorläufige Ergebnis intensiver Kooperationen zwischen irakischen Oppositionellen, EmigrantInnen und engagierten PolitikwissenschafterInnen. Fortsetzungen dieser Formen des Austauschs wären überaus wünschenswert.“
Context XXI

„Die Relevanz des vorliegenden Sammelbandes ist wohl evident: Gerade angesichts der aktuellen und nicht enden wollenden Kriegssitutiation im Irak müssen wir konstatieren, dass unser Wissen um die historische Entwicklung sowie die höchst komplexen Gesellschafts- und Politikstrukturen des Landes äußerst beschränkt und vor allem auch ungenau ist. Debatten um den Irakkrieg speisen sich daher zumeist aus überaus undifferenzierten Vorurteilen und höchst affektiven Positionen. Eine gediegene wissenschaftliche Regionalanalyse ist daher von größtem Nutzen. Ein wichtiges Handbuch, das zum tieferen Verständnis des Irak-Problems entscheidend beizutragen vermag.“
Univ.Prof.Dr. Eva Kreisky (Vorstand des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Wien)

„Höchste Zeit also, ein Plätzchen freizumachen für eine Neuerscheinung, die zu einem großen Teil den Einschätzungen irakischer Intellektueller, Politiker-, Journalist- und PolitologInnen vorbehalten ist, verbunden mit den Analysen österreichischer und deutscher AutorInnen, die sich „schon länger mit dem Irak beschäftigen“. In der Sammlung „Irak – Von der Republik der Angst zur bürgerlichen Demokratie?“ ist eine politisch alles andere als homogene Bandbreite von Texten enthalten, die verdeutlicht: Auch jenseits von islamischem Fundamentalismus, Antiamerikanismus und Antisemitismus bietet der Irak genug Stoff für anspruchsvolle Kontroversen.“
Malmoe

„Schon aus diesem Grund ist das von Mary Kreutzer und Thomas Schmidinger herausgegebene Buch über den Irak, dessen Autoren mehrheitlich irakische Intellektuelle, Politiker, Politologen, Journalisten aus allen Regionen des Landes, den verschiedensten ‚ethnischen‘ und religiösen Gruppen mit unterschiedlichsten politischen Hintergründen sind, eine Hilfe für jeden, der mehr über den Irak wissen will als die Medien täglich bringen. Auch zum Krieg gegen das Saddam Regime gibt es im Buch unterschiedliche Standpunkte. Die Herausgeber selbst haben den Irak bereist und beschäftigen sich als Mitarbeiter der Hilfsorganisation WADI (www.leeza.at) schon länger mit dem Irak.
Dieser Sammelband ist allen an Politik interessierten Menschen empfohlen.“
Die Jüdische, HaGalil, Israel Nachrichten

„Alles in allem ist dieser Sammelband eine sehr empfehlenswerte Lektüre, die versucht die verhärteten Fronten in der Irakfrage zwischen Europa und den USA aufzubrechen und versucht einen dritten Weg – getragen von den Irakern selbst – für eine demokratische Zukunft aufzuzeigen.“
„Bedrohte Völker“

„Ein hochaktueller Sammelband, der jenen ans Herz gelegt sei, die sich für eine differenzierte Analyse des Irak-Konflikts interessieren.“
Unique

„Ein erhellender, ungewöhnlicher Blick auf den Irak nach dem Fall Sadam Husseins: Denn ungewöhnlicher Weise kommen in diesem Sammelband vor allem Iraker zu Wort. Der Band bietet einen umfassenden Überblick über die Geschichte des Irak und zugleich Zündstoff für eine hochaktuelle Diskussion. Eine Pflichtlektüre für Irak-Interessierte!“
Liga. Zeitschrift der Österreichischen Liga für Menschenrechte

„Fazit: Ein lesenswerter Sammelband, der zwar keine konsistente Analyse, dafür aber eine Vielzahl interessanter Anknüpfungspunkt liefert.“
Wissenschaftskompass

Rezensionen im Netz

Besprechung aus Context XXI

Context XXI, Wien

gelesen von Heide Hammer

Der vielfach lediglich proklamierte Anspruch einer Unterstützung des „Für sich selber Sprechens“ durch europäische BeobachterInnen, ExpertInnen oder AktivistInnen findet im vorliegenden Sammelband eine gelungene und differenzierte Entsprechung. Dass in der Wahl der AutorInnen kein beliebig breites Spektrum einer Analyse der gegenwärtigen Situation im Irak präsentiert wird, sondern jene Raum zur Darstellung ihres Wissens um spezifische Zusammenhänge nutzen, die an einer demokratischen Entwicklung des Staates Interesse haben, ist überaus erfreulich. Dabei kann die Gretchenfrage der Positionierung zum US amerikanisch geführten Krieg gegen das ba’thistische Regime in den Hintergrund treten und die Beiträge den aktuellen Problemfeldern und ihren historischen Implikationen gewidmet werden.

Die Kompilation gliedert sich in drei Blöcke: Teil 1, „Das blutige 20. Jahrhundert“ umfasst Texte zu Herrschaft und Ideologie der Ba’thpartei, der Verfolgungspraxis des Regimes sowie zu den bedeutendsten Oppositionsströmungen. Darin findet sich auch der sehr gute und detailreiche Beitrag des Politikwissenschafters Hussain Ali Bawa, der ein ideologisches Kernelement der Ba’thpartei und somit der Staatsorganisation, die umfassende Etablierung des „Führerprinzips“, erklärt. Der darauf folgende Aufsatz von Thomas Uwer und Thomas von der Osten-Sacken, die im Rahmen der Organisation Wadi seit mehreren Jahren Projekte im Nordirak unterstützen, beschreibt nicht nur das gestürzte Herrschaftssystem, sondern beschäftigt sich mit den psychosozialen Auswirkungen dieses Führerkults. Die Folgen der und die eher simple Argumentation einer ideologischen Nähe nahöstlicher Diktaturen und islamistischer Terrorgruppen in der „unheimlichen Interesselosigkeit“ der Bevölkerung zu sehen und in einer „Hölle der Abstraktion“ Islamisten, Panarabisten und (Teile der) Linken zu vereinen, bietet zumindest eine hinreichende Präzisierung ihrer Position, um weiterführende Auseinandersetzungen zu befördern. Den Fragen von Terror und Widerstand widmet sich Andrea Fischer-Tahir entlang des „Kurdistan-Konflikts“ und beweist darin die Möglichkeit einer klugen Verbindung von poststrukturalistischen und Cultural Studies Ansätzen mit umfangreichen ethnologischen und religionswissenschaftlichen Kenntnissen. Ihre feministische Perspektive relativiert auch die Kürze der explizit frauenspezifischen Themenbeiträge.

In Teil 2 „Die USA, Europa, der Irak und der Krieg“ wird auch manche klassische Motivationsphantasie der kriegerischen Intervention untersucht, etwa in einem Beitrag der Herausgeberin die Bedeutung der beliebten Ölthese. Mary Kreutzer beleuchtet entgegen der verbreiteten Interpretation „fremder Gier“ die Funktion des Rohstoffs in den konkreten diktatorischen Unterdrückungsverhältnissen. Weitere mediale und aktivistische Konjunkturen in der Argumentation von KriegsgegnerInnen und –befürworterInnen werden in diesem Kapitel nachgezeichnet, darunter die Rolle der Vereinten Nationen, deutsche Exporte für Waffen- und Giftgasproduktionen oder die rechtsextreme und friedensbewegte Begeisterung für das „irakische Volk“.

Im abschließende dritten Block widmen sich die Diskussionsbeiträge Fragen des Umgangs mit der Vergangenheit, den Optionen von Föderalismus und partizipativen Bestrebungen und den agierenden Terrorgruppen. Deren Zusammensetzung und Kooperation bzw. Konkurrenz wird auch mittels historischer Exkurse beschrieben und unterschiedliche Lösungsansätze formuliert. Terrorismus steht als zentrales Element am Beginn und am Ende der ba’thistischen Strukturen. Dass alltägliche Bemühungen um demokratische Vergesellschaftungsformen von den Besatzungsmächten und der irakischen Bevölkerung geführt werden müssen, dies aber immer vor dem Hintergrund jahrzehntewährender Verbrechen passiert und diese auch einer wissenschaftlichen Bearbeitung bedürfen, ist eine zentrale Forderung im abschließenden Beitrag Thomas Schmidingers. Ein dahingehender Versuch wird gegenwärtig von Kanan Makiya durch die Iraq Memory Foundation betrieben. Ein Spektrum an Analysen und Initiativen auch deutschsprachigen InteressentInnen näherzubringen, ist das vorläufige Ergebnis intensiver Kooperationen zwischen irakischen Oppositionellen, EmigrantInnen und engagierten PolitikwissenschafterInnen. Fortsetzungen dieser Formen des Austauschs wären überaus wünschenswert.