Eintritt für Baathisten verboten – Ö1

orf1Geschrieben von: Ö1 Highlight Story

Peter Pirker (Ö1) begleitete das Team von LeEZA (damals Wadi Österreich) in den Irak und gestaltete hierüber zwei Radiobeträge (die auf unserHomepage unter Media/Audio zu hören sind )

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Der Kampf um Erinnerung

Die Bilder von den Opfern gingen um die Welt: Väter, die vergeblich versucht hatten, ihre Kinder vor dem Gas zu schützen, verkrümmte Körper, die auf der Flucht in den Straßen liegen blieben. Für die Überlebenden begann eine jahrelange Odyssee durch Flüchtlingslager und Zwangssiedelungen.

Saddam vor Gericht

Schon den laufenden Prozess gegen Saddam Hussein verfolgen die Einwohner der Stadt gespannt. Die 40-jährige Fari hat 1988 fünf Familienmitglieder verloren. „Ja, wir sind froh darüber, ihn vor Gericht zu sehen“, sagt sie. „Aber eigentlich sollten sie ihn nach Halabja bringen, damit er hier getötet wird. Er sollte nicht wie in diesem Gerichtsverfahren behandelt werden.“

Für viele Opfer des Regimes ist es schwer erträglich, dass der Ex-Diktator frei sprechen kann und sich weiterhin als Präsident aufführt. Der kurdische Richter Rizgar Mohammed Amin trat im Jänner vom Prozess zurück. Ihm war vorgeworfen worden, Saddam zu viel Rechte einzuräumen. Doch er sieht einen fairen Prozess als Fenster zur Demokratie: „Die Verbrechen müssen ganz genau untersucht werden. Und die Bevölkerung soll sehen, dass die Politiker nach internationalen Maßstäben bewertet werden. Das ist ein Schritt zur Demokratie.“

Kampf um Umgang mit Vergangenheit

Der Umgang mit der Vergangenheit ist mittlerweile auch außerhalb des Gerichtssaales zu einem Streitfall geworden. Denn: 18 Jahre nach dem Angriff gleicht Halabja in weiten Teilen einer Elendssiedlung, Elektrizität gibt es nur stundenweise, es fehlt an Trinkwasser.

Was die kurdische Regionalregierung nach dem Sturz des Saddam-Regimes rasch errichtet hat, ist ein imposantes Memorial, das an die Opfer erinnert. Jährlich werden dort Gedenkveranstaltungen abgehalten, die triste Situation Halabjas allerdings bekommt kaum einer der ausländischen Besucher zu sehen.

Zerstörtes Memorial

So wurde die Kluft zwischen politischer Repräsentation und dem Elend der Opfer immer größer. Heute steht das Memorial verkohlt vor der Stadt – wie ein Symbol für den Kampf um den richtigen Umgang mit der Vergangenheit. Demonstranten brannten es am Jahrestag des Giftgasangriffs während der offiziellen Gedenkfeier nieder.

Tod aus Österreich

Für Tod und Zerstörung hatten in Halabja auch „Nemsawi“ gesorgt. „Nemsawi“ bedeutet „Österreicher“, gemeint sind die berüchtigten Noricum-Kanonen aus Österreich. Eine dieser „Nemsawi“ steht heute vor einem ehemaligen Gefängnis des Baath-Regimes in Suleymaniah.

„Als Kinder war uns kein Land Europas besser geläufig als Nemsa“, sagt Fallah Mordakhin, Leiter der deutsch-österreichischen Hilfsorganisation Wadi im Nordirak. Das Haus seiner Familie wurde zwei Mal von „Nemsawi“ getroffen. „Die Kurden kennen Österreich wegen der Nemsawi, nicht wegen humanitärer Projekte. Sie wissen, was ihnen das Land geschenkt hat“, meint Mordakhin.

Text: Peter Pirker