Weibliche Genitalverstümmelung im Nordirak

  • leeza-nachrichten-nr-7-1Unterstützung irakischer Frauen in Haft: LeEZA kooperiert mit Haukari/Khanzad
  • „Die Strategie findet man mit den Frauen selbst!“ Interview über FGM in Österreich
  • Beschneidung – Genitalverstümmelung: Begrifflichkeiten, Ursprünge und Auswirkungen
  • FGM im Nordirak. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung
  • Menschenrechte abgeschafft: Die jüngste Fremdenrechtsnovelle in Österreich
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Frankfurter Buchmesse mit Türkei-Schwerpunkt: Auch LeEZA-MitarbeiterInnen sind vertreten PA LeEZA

Heute wurde die 60. Frankfurter Buchmesse eröffnet. Bis Sonntag erwarten die VeranstalterInnen knapp 300.000 BesucherInnen. 7.373 AusstellerInnen aus 100 Ländern sind präsent. Zu sehen sind insgesamt mehr als 400.000 Bücher und andere Medien. Gastland ist diesmal die Türkei, eines der Projektländer von LeEZA.

Wir unterstützen derzeit ein Frauenprojekt in Diyarbakir, planen aber eine Ausweitung unserer Arbeit im politisch wie ökonomisch marginalisierten Südosten der Türkei. Zum Gastland, der Türkei, mit ihrer reichen und gesellschaftskritischen Literatur, gehören auch die Literaturen der sprachlichen Minderheiten, seien sie in Kurmaji, Zaza, Lasisch, Arabisch, Griechisch, Aramäisch oder Armenisch verfasst.

Viele LiteratInnen der Minderheiten der Türkei, darunter auch so große Namen wie Yasar Kemal, schreiben jedoch trotz ihrer ethnischen Zugehörigkeit und ihres offenen Bekenntnisses zu ihrer kurdischen Herkunft in türkischer Sprache. Die gemeinsame Sprache der Türkei, hervorgegangen aus dem Osmanisch des multiethnischen Osmanischen Reiches, ist schließlich weit mehr als nur eine Sprache türkischer NationalistInnen. Sie ist auch die Sprache, in der soziale Kämpfe sprachlichen Ausdruck finden und kritische Literatur geschaffen wird. In ihr werden die wichtigen Zukunftsfragen der Türkei debattiert, wozu ganz zentral die Geschlechterfrage, das Verhältnis zwischen laizistischem Staat und Islam und die Kurdenfrage gehören. Letztere ist es auch, die durch die Präsenz kurdischer Literatur sichtbar werden wird.

Mit Thomas Schmidinger ist einer unserer Mitarbeiter auf der Buchmesse vertreten. Auf Einladung der Kurdischen Regionalregierung im Irak, wird er auf dem Stand „Kurdistan Book International“ am Samstag, dem 18. Oktober um 15. 30h einen Vortrag halten:

Kurdistan Book International, Halle 5.0 Stand A 965 “Die Kurdenfrage und die Demokratie im Nahen Osten“ Thomas Schmidinger spricht über die Veränderungen und Chancen, die sich aus dem Modell einer Autonomie in Irakisch-Kurdistan für die Demokratisierung in der Region ergeben.

Thomas Schmidinger hat in diesem Jahr drei Bücher (mit-)herausgegeben, die ebenfalls auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert werden:

Thomas Schmidinger (Hg.):
Vom selben Schlag…
Integration und Migration im niederösterreichischen Industrieviertel Alltag Verlag, Wiener Neustadt

Dunja Larise / Thomas Schmidinger (Hg.):
Zwischen Gottesstaat und Demokratie.
Handbuch des politischen Islam
Deuticke Verlag, Wien

Eva Pentz / Georg Prack / Thomas Schmidinger / Thomas Witteck (Hg.):
“Dies ist kein Gottesstaat!“
Terrorismus und Rechtsstaat am Beispiel des Prozesses gegen Mohamed M. und Mona S.
Passagen Verlag, Wien

Mit dem Buch „Ware Frau. Auf den Spuren moderner Sklaverei von Afrika nach Europa“ von Mary Kreutzer und Corinna Milborn, das im Frühling bei Ecowin erschienen ist, wird ein weiteres Buch einer LeEZA-Mitarbeiterin auf der Buchmesse vertreten sein.

„Zivilgesellschaft“ kann auch rechtsextrem, autoritär und reaktionär sein. Die neuen LeEZA-Nachrichten sind erschienen

Liebe Freundinnen und Freunde von LeEZA!

Die aktuelle Ausgabe unserer Zeitschrift „LeEZA-Nachrichten“ (vormals „Wadi-News“) ist nun auch online auf unserer homepage (www.leeza.at) zu lesen. Wie immer schicken wir die Printversion gerne kostenlos per Post zu, wenn Sie uns Ihre Postanschrift mitteilen.

Der aktuelle Schwerpunkt der LeEZA-Nachrichten thematisiert „Zivilgesellschaft und/versus Emanzipation“. Dass Zivilgesellschaft – also auch WählerInnen – keineswegs an sich fortschrittlich und demokratisch ist, zeigt nicht zuletzt das gestrige Wahlergebnis in Österreich.

„Zivilgesellschaft“ kann auch rechtsextrem, autoritär und reaktionär sein. Dies gilt nicht nur für Österreich, sondern auch für die Regionen, in denen wir als entwicklungspolitische NGO tätig sind. Die jüngste Nummer unserer Zeitschrift beschäftigt sich deshalb grundsätzlich mit Fragen der Zivilgesellschaft und enthält folgende Beiträge:

Irak. Ein Reisebericht
Zivilgesellschaft versus Emanzipation?
Nehmt den Männern den Koran. Interview mit Nahed Selim
Zivilgesellschaft versus FGM?
Ocean of crimes. Frauenhandel und Prostitution in Kurdistan
Interview mit Rahime Hacioglu von EPI-DEM, Projektbesuch
Entwicklungspolitik zur Wahl 2008
Mit freundlichen Grüßen,

die LeEZAs

Zwischen Gottesstaat und Demokratie: Handbuch des politischen Islam

LeEZA-Vorstandsmitglied Thomas Schmidinger hat gemeinsam mit Dunja Larise ein Handbuch des Politischen Islam, mit Schwerpunkt auf Organisationen in Österreich, herausgegeben, das ab 20.08.2008 im Buchhandel erhältlich ist. Neben Schmidinger, haben mit Soma Ahmad und Saya Ahmad noch zwei weitere Mitarbeiterinnen von LeEZA an dem Buch mitgewirkt, das erstmals nicht nur die unterschiedlichen Strömungen des Politischen Islam beschreibt, sondern auch deren österreichische Organisationen kritisch untersucht. Das Buch wirkt damit sowohl einer pauschalen Verteufelung als auch einer Exkulpierung des Islam entgegen, und leistet eine differenzierte Analyse und Kritik.

Im Mittagsjournal vom 19.08.2008 wurde dazu bereits ein Bericht gesendet, der im Internet nachzuhören ist:
http://oe1.orf.at/konsole/otoninfo?id=94846

Das Buch ist seit 20.08.2008 im Buchhandel erhältlich:

Dunja Larise, Thomas Schmidinger (Hg.):
Zwischen Gottesstaat und Demokratie
Handbuch des politischen Islam
320 S., Paperback,
ISBN: 978-3-552-06083-8
€ (A) ca. EUR 20,50 / € (D) ca. EUR 19,90

Bei Amazon kann es >> hier ebenfalls bestellt werden.

WADI Österreich ist jetzt LeEZA!

Liebe FreundInnen, LeserInnen und UnterstützerInnen von WADI Österreich,
ab heute ist es offiziell: WADI Österreich ist jetzt LeEZA!

LeEZA spricht man der englischen Aussprache folgend wie „lisa“ aus, und es bedeutet:
Liga für emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit.

Die MitarbeiterInnen von LeEZA sind exakt die selben wie „damals“, bei WADI Österreich,
wir sind also immer noch die hier.

In aller Kürze ein paar Worte zum Grund der Umbenennung

Nachdem wir mehrere Jahre lang die gleichen Projekte wie WADI e.V. in Deutschland unterstützt hatten, aber schon seit 2003 ein eigenständiger Verein in Österreich sind, haben wir uns in den letzten Jahren immer mehr auch selbst emanzipiert und unterstützen seit einem halben Jahr Projekte auch ohne die Beteiligung von WADI e.V. (Deutschland), z.B. das Frauenzentrum EPI-DEM in der Osttürkei. Zugleich haben sich latente inhaltliche Konflikte zwischen WADI Österreich und WADI e.V. (Deutschland) in den letzten Monaten weiter zugespitzt, so dass wir bereits im September eine organisatorische Trennung beschlossen haben, die nun auch in einer Umbenennung von WADI Österreich in „LeEZA – Liga für emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit“ zum Ausdruck kommt.

LeEZA wird in diesem Sinne die bewährte Arbeit von WADI Österreich im Nordirak und der Osttürkei im selben Team an MitarbeiterInnen fortsetzen wie bisher: WADI Österreich heißt jetzt LeEZA.

Noch ein paar Zeilen zu unserem Selbstverständnis,
oder:
Warum emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit ?

Emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit bedeutet für uns echte Zusammenarbeit und möglichst gleichberechtigte Kooperation mit lokalen PartnerInnen. Wir leisten weder eine sich manchmal hinter dem Begriff „Zusammenarbeit“ versteckende Entwicklungshilfe, noch eine kritiklose Kooperation ohne gesellschaftsverändernden Anspruch.

Emanzipatorisch ist diese Entwicklungszusammenarbeit, weil wir dabei bewusst auf Projekte setzen, die im Sinne einer globalen Solidarität die Gleichberechtigung aller Menschen überall auf der Welt und zugleich die geistige, materielle und politische Emanzipation des und der Einzelnen fördern. Hier weder in postkolonialen Attitüden von oben herab zu belehren, noch durch einen allzu verständnisvollen Kulturrelativismus Haltungen und Handlungen zu rechtfertigen, die eben dieser Emanzipation entgegenstehen, ist eine Gratwanderung, die wir mit unseren ProjektpartnerInnen immer aufs Neue zu gehen versuchen.

Eine so verstandene emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit verlangt eine Zusammenarbeit mit MigrantInnen und Flüchtlingen aus den Projektregionen, die sich für uns schon allein aus der Mitarbeit von ExilantInnen aus der Region in unseren Strukturen in Österreich ergibt – dies nicht zuletzt deshalb, weil Emanzipation auch die Notwendigkeit bedeutet, uns von gängigen Sichtweisen freizusetzen oder uns diesen zu widersetzen.

So ist auch die Analyse von Verhältnissen im Nahen Osten ein Deutungsakt, der auf der Grundlage fundierter Informationen, verlässlicher Quellen und wachsenden Wissens um Zusammenhänge immer aufs Neue geleistet werden muss. Selbstbestimmtheit ist auch und gerade im Informationszeitalter etwas, zu dem wir uns erst ermächtigen müssen. Und sie ist Voraussetzung dafür, emanzipatorisch handeln zu können.

In diesem Sinne wünschen wir Euch/Ihnen allen einen guten Start ins neue Jahr!

Die LEEZAs
ali, andrea, isa, ines, kiymet, mary, nerina, saya, soma, schmidi & tom


PS:
Die Bankverbindung, das Postfach, die Telefonnummer: alles bleibt gleich, bitte nur WADI Österreich durch LeEZA ersetzen.

Die Homepage lautet jetzt www.leeza.at und wir freuen uns sehr über eine möglichst breite Verlinkung!

Unsere e-mail adresse lauten ab sofort: info@leeza.at oder leeza@gmx.org .

Rita Schäfer: Im Schatten der Apartheid – Frauen-Rechtsorganisationen und geschlechtsspezifische Gewalt in Südafrika

LIT Verlag 2008, 2. aktualisierte Auflage, EUR 29,90

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Wie auch in ihrem jüngsten Werk „Frauen und Kriege in Afrika“ (Brandes & Apsel, 2008) analysiert die Anthropologin Rita Schäfer hier afrikanische (Nachkriegs-)Gesellschaften aus der Genderperspektive und bietet eine enorme Fülle von historischen Details, Analysen und Erklärungsversuchen für diverse
Formen von Gewalt in ausgewählten afrikanischen Ländern. Beide Bücher sind nicht nur gut und flüssig lesbar, sie sind zudem spannend und gehören eindeutig zur Topliga der Sachbücher im Bereich der Gewaltforschung. Allerhöchste LeEZA-Empfehlung!

Corry Guttstadt: Die Türkei, die Juden und der Holocaust

Verlag Assoziation A 2008, EUR 26,00

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Obwohl die türkischen Juden in Europa eine beeindruckende Gruppe bildeten, wurde ihr Schicksal während der Shoah bis heute kaum aufgearbeitet – weder von Seiten der offiziellen Türkei, noch von der Holocaust-Forschung. Die Turkologin Corry Guttstadt leistet mit dieser Neuerscheinung Pionierarbeit und räumt mit dem Mythos auf, die Türkei habe durch ihre „judenfreundliche Politik“ unzählige türkischer Juden und Jüdinnen vor der Vernichtung durch die Nationalsozialisten gerettet.

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Saudi-Arabien: Vergewaltigungsopfer zu 200 Peitschenhieben verurteilt

Eine Reihe von NGOs – u.a. die internationale Kampagne gegen Ehrenmorde und Amnesty international – protestieren aufs Schärfste gegen das skandalöse Urteil gegen eine vergewaltigte Frau in Saudi-Arabien.

Das zur Tatzeit 19 Jahre alte Opfer der Vergewaltigung, das in Saudi-Arabien als „Mädchen von Qatif“ bekannt wurde, wurde zu 200 Peitschenhieben und 1/2 Jahr Haft verurteilt. Laut dem saudischen Gericht hatte sich die Frau strafbar gemacht, da sie mit einem nicht verwandten Mann in einem Auto gesessen hätte. Neben internationalen NGOs protestieren nun sogar die US-Verbündeten Saudi-Arabiens. Während einige PräsidentschaftskandidatInnen – allen voran Hillary Clinton – scharf protestierten, blieb die Reaktion des Sprechers des States Department McCormack diplomatisch zurückhaltend: „I think when you look at the crime and the fact that now the victim is punished, I think that causes a fair degree of surprise and astonishment, but it is within the power of the Saudi government to take a look at the verdict and change it.“

Siehe dazu:
> http://edition.cnn.com/2007/WORLD/meast/11/17/saudi.rape.victim/
> http://www.guardian.co.uk/saudi/story/0,,2212583,00.html
> http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/Saudi-Arabien-Vergewaltigung;art1117,2420661
> http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,518574,00.html

Hetze gegen Yezidi erreicht junge Muslime in Europa

WADI Österreich fordert politische Bildungsprojekte für Jugendliche

Nachdem im April 2007 ein kurdisches Mädchen, das der religiösen Minderheit der Yezidi angehört hatte, einem grausamen „Ehrenmord“ durch ihre eigene Familie zum Opfer gefallen war und die TäterInnen weitgehend unbestraft davon kamen (siehe www.leeza.at/Media/Presse/press_27-04-07.php), nutzten verschiedenste islamistische Gruppen dies wiederum zur Hetze gegen Yezidi. Die von konservativen Muslimen fälschlicherweise als „Teufelsanbeter“ betrachteten Angehörige dieser nichtmuslimischen Minderheit, waren zuvor schon Opfer von Angriffen radikaler Islamisten geworden. Obwohl „Ehrenmorde“ keineswegs nur unter Yezidi vorkommen, sondern auch unter irakischen Muslimen ein Problem darstellen, wurde der Fall auch außerhalb des Irak für islamistische Propaganda gegen Yezidi herangezogen. Während im Irak selbst die Angriffe auf Yezidi im August 2007 mit den Anschlägen auf die Gemeinden Tal Asir (arabisch: Kataniya) und Siba (arabisch: Al-Gazira), mit über 500 Toten ihren Höhepunkt erreichten (siehe: www.leeza.at/Media/Presse/press_15-08-07.php), wird mittlerweile auch in Europa gegen Yezidi gehetzt.

Das jüngste Beispiel dafür stellt ein Rapsong mit Video von einem Deutschlibanesen namens SaDe dar, das auf Youtube und Myvideo veröffentlicht wurde (www.youtube.com/watch?v=b2gfWI3gth8).

Darin wird vor Bildern des ermordeten Mädchens gegen Yezidi gerappt:

„Ich bete, dass die Strafe Gottes folgt diesem Volk. […] Allah soll sie bluten lassen, all diese Ungerechten. […] Ihr seid keine Muslime, das hat nichts mit Islam zu tun. Das ist haram. […] Allah braucht keinen von euch Ungläubigen um zu strafen. Allah wird euch dafür richten. […] Ihr werdet bestraft werden.“

Im Video werden immer wieder Symbole der Yezidis gezeigt und zerstört. Völlig unvermittelt wird die Textzeile „Israel needs Yezides“ eingeblendet.

Die Wirkung des Videos auf einige jugendliche ZuseherInnen fällt recht eindeutig aus. Auf Myvideo lautet eines der Postings: „sowas ist echt haram! was ihr gemacht habt… dieses volk soll beschtraft werden! respekt sade!“

Ein Poster im Forum von Youtube ist „traurig“ über den Mord an der jungen Frau, und freut sich über das Massaker an Yeziden im Sommer 2007:

„Das ist wirklich traurig was die gmacht haben aber dafür haben dann auch die islamischen kurden yezidische laster in die luft gejagt! ich schreibe euch bald eine seite auf wo man die richtigen videos sieht!!!!!!!
!!!!!!ALLAH!!!!!!!!“

Ein anderer Poster meint:

„ehj duh hueresohn dini muetter ish e bitch..figg dini ganzi generation duh shaiss yeziid“ oder noch kürzer „scheiss yezeeden“.

Von „Bastarde und Schweine“ über „gottlos“ reichen die Beschimpfungen junger Fans des islamistischen Rappers SaDe gegen Yezidi.

Yezidi und säkulare junge Muslime sind entsetzt über diese Hetze im Internet. Thomas Schmidinger, Obmann von WADI Österreich und Politikwissenschafter an der Universität Wien, erklärt dazu, dass zwar nur eine Minderheit der jugendlichen Muslime von solcher Hetze begeistert sind, das Internet aber einzelnen Gruppen die Möglichkeit gibt, sich selbst als Teil eines Kampfes zu sehen – und sei es mittels Computer in Europa: „Die Verbreitung extremistischer Ideologien eines politisch verstandenen Islam ist heute durch das Internet wesentlich einfacher geworden. So finden Gleichgesinnte leichter zusammen. Gerade für Jugendliche der zweiten und dritten Generation wird das Internet immer mehr zum Mittel ideologischer Indoktrination.“

Auch wenn es in Österreich nur sehr wenige Yezidi gibt, so fürchtet WADI Österreich, eine NGO die in den kurdischen Gebieten des Irak und der Türkei Hilfsprojekte unterstützt und mit Flüchtlingen aus der Region in Österreich zusammenarbeitet, dass auch hier die Lage für Yezidi bedrohlicher werden könnte. „In Deutschland gibt es relativ große yezidische Gemeinden,“ weiß Kiymet Ceviz von WADI Österreich zu berichten, „für diese ist es sicher nicht beruhigend, dass ihnen auch in Europa Islamisten nach dem Leben trachten.“ Von der Öffentlichkeit wünschen sich die AktivistInnen von WADI Österreich mehr Sensibilität für die Anliegen bedrohter Minderheiten aus dem Nahen Osten in Europa und mehr Augenmerk auf politische Bildung unter muslimischen Jugendlichen der zweiten und dritten Generation:

„Wenn diese Jugendlichen aus arabischen Medien nur Ressentiments gegen Yezidi vermittelt bekommen und auf der anderen Seite niemand da ist, der/die aufklärt und gegen die Hetze anschreibt und argumentiert, dann wundert es wenig, wenn sich Unwissenheit und Hass ausbreiten. Hier hätte auch das österreichische Bildungssystem eine Verantwortung wahrzunehmen“, so Soma Ahmad von WADI Österreich. „Bildungsprojekte, wie zum Beispiel „Bildung gegen Antisemitismus“ oder „ufuq“ (www.ufuq.de) , die in Deutschland von der Bundeszentrale für politische Bildung finanziert und unterstützt werden, wären auch in Österreich das Gebot der Stunde.“

Yeziden-Vertreter befürchtet bis zu 600 Tote nach Anschlägen im Nordirak

Hilfsorganistion WADI Österreich fordert effektiven Schutz von Minderheiten

Beim schwersten Anschlag dieses Jahres wurden gestern Abend mindestens 200 – Yeziden-Vertreter sprechen von bis zu 600 – Angehörige der religiösen Minderheit der Yezidi im Irak ermordet.

Nachdem die beiden Gemeinden Tal Asir (arabisch: Kataniya) und Siba (arabisch: Al-Gazira) seit Wochen von jeder Lebensmittellieferung abgeschnitten waren, fuhren gestern um 19.00h Ortszeit vier LKWs vor. Die Bevölkerung, die glaubte, dass es sich dabei um Lebensmittellieferungen handeln würde, rannte auf die LKWs zu, die in diesem Moment gesprengt wurden. Autos mit mitgeführten Raketenwerfern beschossen daraufhin die Dörfer. Die großteils aus Lehm gebauten Häuser boten keinerlei Schutz für die flüchtende Bevölkerung. Insgesamt wurden in beiden Gemeinden 150 Häuser durch die Explosionen und die Raketenangriffe zerstört.

Mirza Dinnayi, ehemaliger Minderheitenberater des irakischen Staatspräsidenten Talabani und Koordinator der „Yezidi Democratic Community“ in Deutschland, vermutet noch weit mehr Tote als die bisher gemeldeten 200 Toten: „Ich telefoniere seit gestern ständig mit unseren Freunden im Irak. Alle Informationen, die ich direkt von dort habe deuten darauf hin, dass es zwischen 300 und 600 Tote sind.“

Verschärft wird die Lage noch durch mangelnde Kapazitäten im Krankenhaus der Regionalhauptstadt Sinjar, das lediglich über Kapazitäten für 30 bis 40 Betten verfügt.

Etwa ein Prozent der irakischen Gesamtbevölkerung gehört den Yezidi an. Die Religionsgemeinschaft, die im Gegensatz zu Christen- und Judentum von Muslimen nicht als Buchreligion betrachtet wird (und damit nicht dem islamischen Schutzgebot untersteht) wurde in den letzten Jahren immer wieder zum Angriffsziel radikaler Islamisten, die sie als „Teufelsanbeter“ denunzierten. Die meisten Yezidi leben in der zentralirakischen Provinz Ninive sowie in der kurdisch verwalteten Provinz Dohuk. Das Gebiet um Sinjar, nahe der syrischen Grenze, zählt traditionell zu einem der wichtigsten Siedlungsgebiete der Yezidi. Eine Arabisierungkampagne des Bath-Regimes unter Saddam Hussein, zwang jedoch die Mehrheit der dort lebenden Yezidi, ihre traditionellen Bergdörfer zu verlassen und sich in staatlich kontrollierten „Kollektivstädten“ anzusiedeln. Auch die beiden nun angegriffenen Gemeinden gingen aus solchen Zwangsansiedlungen hervor.

Ethnische und religiöse Minderheiten, die über kein von ihnen kontrolliertes Territorium verfügen, wurden in den letzten zwei Jahren generell vermehrt zum Ziel von Anschlägen und Angriffen. Die in London ansässigen Menschenrechtsgruppe „Minority Rights Group International“ hatte bereits im Februar erklärt, dass einige Gemeinschaften, die seit 2000 Jahren im Irak lebten, jetzt vor der Vernichtung stünden.

Auch Mirza Dinnayi, als ehemaliger Minderheitenberater Talabanis ein ausgezeichneter Kenner der Lage vor Ort, kritisiert den mangelnden Schutz der Minderheiten: „Es gibt keinen Schutz für die kleinen Minderheiten. Wir haben seit Monaten an die kurdischen und irakischen Behörden appelliert jetzt vor dem Kirkuk-Referendum den Schutz für die Minderheiten zu erhöhen. Leider ist bislang nichts in diese Richtung geschehen.“

Entsetzt ist Dinnayi auch über die Kommentare, die er auf manchen arabischen Websites zum gestrigen Anschlag lesen kann. „Auf der Website der Fernsehstation al-Arabiya bejubeln ein Viertel der Kommentare im Online-Forum den gestrigen Anschlag. Hier wird offen gesagt, dass die ‚Teufelsanbeter‘ weg sollen und niemand von der Redaktion löscht diese Einträge.“

Der Hass auf Yezidi sei unter militanten Islamisten im Irak so weit verbreitet, dass es ständig zu Morden komme. Erst vor fünf Tagen wurden in al-Rashad, in der Nähe von Kirkuk, zwei junge Yezidi auf offener Straße zu Tode gesteinigt. Die irakischen Sicherheitskräfte hatten es nicht gewagt dagegen einzugreifen. Selbst die Leichen der Ermordeten wurden bis vorgestern nicht zur Bestattung abtransportiert.

Die Kritik yezidischer Vertreter am mangelnden Schutz ihrer Angehörigen im Irak wird auch von Christen, Mandäern und Shabak, die ebenfalls ständig Opfer ethnisierter Gewalt werden, geteilt.

Der Wiener Politikwissenschafter und Obmann der im Irak tätigen österreichischen Hilfsorganisation WADI, Thomas Schmidinger, sieht die Minderheiten besonders von der gegenwärtigen Gewalt betroffen: „Die Ethnisierung der Gewalt im Irak trifft die kleinen Minderheiten, die ihren Schutz nicht selbst durch bewaffnete Kräfte organisieren können, in besonderem Maße. Je länger diese Form der Gewalt anhält, desto schwieriger wird es für die Minderheiten im Irak zu überleben.“

Dabei hält Mirza Dinnayi den Schutz der Yezidi nicht für ein Ding der Unmöglichkeit: „Insbesondere in der Sinjar-Region wäre das kein Problem. Hier sind 90% der Bevölkerung Yezidi. Wäre der politische Wille vorhanden, könnten sie militärisch geschützt werden.“ Der Koordinator der „Yezidi Democratic Community“ in Deutschland fordert deshalb explizit einen UNO-Einsatz zum Schutze der Minderheiten im Irak. Europäische Truppen unter UNO-Mandat sollten, so Mirza Dinnayi, die Minderheiten in ihren Gebieten schützen.

Mary Kreutzer, Projektkoordinatorin der im Irak tätigen Hilfsorganisation WADI Österreich, fordert Verantwortung von der EU: „Europa soll endlich die Tore für irakische Flüchtlinge, die zu Hunderttausenden in Syrien und Jordanien ausharren, öffnen. Diese beiden Länder sind mit den Flüchtlingen überfordert. Europa hat deshalb seine historische Verantwortung für den Irak wahrzunehmen.“